Freitag, 24. September 2010

Q VIII | Aktuell







17 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da wächst er, der Betonbarock. Wasser auf den Mühlen der Rekogegner. Mich gruselts schon ein bisschen vor dem ganzen falschen Schein. Na immerhin ist ein Kellerchen gerettet worden. Wenns die Stadt mit der "Authentizität" ernst meinen würde, würde sie wohl kaum zum dritten Mal Herrn Betondietze zum Zuge kommen lassen.

Anonym hat gesagt…

Gelaber. Ob dahinter Ziegel oder Beton ist, macht am Ende auch keinen Unterschied. Betreten wird es von uns sowieso kaum einer. Und ich glaube auch nicht das man irgendwo im Hotel in irgendeiner Stadt in der Wand bohrt um rauszufinden obs Ziegel oder Betonbau ist. Hauptsache dort steht endlich was und es sieht einigermaßen vernünftig aus. Das dauernde Gemecker nervt.

indc hat gesagt…

@ Anonym I:
Jetzt ist also sogar schon ein Baufeld, dass zum großen Teil aus (Neo-2-)Renaissance-Bauten besteht, Betonbarock?

Bautechnik entwickelt sich nunmal im Laufe der Zeit weiter. Die Neobarockbauten in der Altstadt sind ebenso eine (bautechnische) Evolution der danebenstehenden Barockbauten, was spricht also dagegen, eine erneute historisierende Bebauung nach dem aktuellen Stand der Technik zu errichten?

Und selbst die hartgesottensten "Rekonstruktions"-Befürworter würden wohl kaum exakt das Gebäude dort stehen sehen wollen, dass zu Renaissance- bzw. Barockzeiten dort stand. Keine Heizung, kein fließend Wasser, Toilette in Form einer Gasse, unzeitgemäße Raumschnitte. Auch die erhaltenen Bauten aus dieser Zeit in anderen Städten haben sich im Laufe der Jahrhunderte weiterentwickelt und wurden den jeweiligen Bedürfnissen angepasst, zumindest die, die weiterhin "real" genutzt worden.

Was spricht also dagegen, diese Evolutionsschritte, die ja unabhängig von der Fassadengestaltung sind, bereits beim Bau zu vollziehen?

der Wolf hat gesagt…

@Indc:
Ich denke, es geht hier Anonym 1 in erster Linie um Qualität und deren Maßstäblichkeit.

Ich nenne mal an dieser Stelle die Leitsätze, die die GHND erarbeit und in der Rampische Str so vorbildlich umgesetzt hat.
Als ebenso gelungen sind die beiden Häuser "An der Frauenkirche" 17 und 18 zu bewerten.
Der Rest ist -in der Tat- leider nur Fassade und Kulisse.

Ich denke, was am meisten stört, ist die Tatsache, daß bei den meisten Rekos am Neumarkt die Fassade eines Hauses nicht mit der Innengestaltung eine EINHEIT bildet! (bestes, bzw schlechtestes Beispiel, das Prisco-Projekt: außen Barockfassade, innen moderner Shoppingtempel).

Diesen Kontrast, diesen Widerspruch halte ich für das vorrangige gestalterische Problem,noch jenseits der Frage, ob Vollbetonbauweise, oder klassisches Mauerwerk zulässig ist.

Eine Reko ist für MICH nur dann gelungen, wirkt nur dann (selbst als Kopie) stilistisch authenisch, wenn der Außen-und Innenraum des Hauses für den Besucher als EINHEIT erlebbar wird!

Dase hat gesagt…

@ der Wolf: du weißt aber schon, dass auch die GNHD Beton verwendet hat, oder?

Anonym hat gesagt…

@anonym 1:
Mehr als "Gelaber" sind deine Argumente auch nicht. Dann könnten wie die Häuser auch aus Pappe bauen, Hauptsache es sieht aus wie früher.

@indc:
Die Betonbauweise ist einzig dem Profitdenken verpflichtet. Mit Baukunst hat sowas wenig zutun. Überhaupt lässt sich baukünstlerisch ein stetiger Rückschritt erkennen, so dass ich fast ein völliges Erlöschen der BauKUNST zu erkennen glaube. Heute herrscht das Diktat der Ökonomie, da ist für Kultur kein Platz. Dietze zimmert uns nicht als einen faulen Kompromiss zusammen.

@wolf:
Dass in so gut wie keinem der Rekos bis jetzt auch nur annähernd die Innenstruktur wiederhergestellt wurde deute ich als Symptom einer auf Oberflächenwirkung verflachten Gesellschaft. Von Baukunst keine Spur.

Anonym hat gesagt…

"Ich denke, was am meisten stört, ist die Tatsache, daß bei den meisten Rekos am Neumarkt die Fassade eines Hauses nicht mit der Innengestaltung eine EINHEIT bildet!"

Das Argument halte ich nicht für besonders stichhaltig, denn schon immer wurden Gebäude nachträglich umgebaut und auch im Inneren entkernt und neu genutzt.

Beispiele hierfür wären das originale Hotel de Saxe oder das alte Rathaus am Altmarkt in Dresden oder auch der Römer in Frankfurt. Auch in Esslingen/Neckar ist mir erst letztens eine größere Gaststätte aufgefallen, deren Gastraum sich im Erdgeschoß über mehrere Fachwerkhäuser erstreckt - also eine völlig normale Bauform.

THE WOERTH hat gesagt…

Ich bin dafür, anonyme Schreiberlinge zu ignorieren.

Ansonsten möchte ich noch anmerken, dass ich kein Fan von dogmatischen Einstellungen bin.

Hendrik hat gesagt…

Wie sagt ein Sprichwort: Prüft alles, das Beste behaltet. Dies passt, wie ich finde, auch hier: Man lehnt sich beim Wiederaufbau des zerstörten Dresdner Altstadtkerns hinsichtlich der Fassaden- und ggf. Innenraumgestaltung an der Vorkriegsbebauung an, weil diese insoweit sehr ansprechend war (vergleiche die Visualisierungen von Andreas Hummel). Zugleich nutzt man die heutige Bautechnik, denn diese hat sich - anders als die Bau-ästhetik - unstrittig verbessert.

der Wolf hat gesagt…

Es stimmt schon, daß es an histor. Gebäuden veränderte Innenräume gibt, die nicht der Entstehungszeit der Fassade entsprechen.

Trotzdem ist die Lage in DD eine andere:
Der Einsatz von Beton, und die oft nüchterne, zweckmäßige, verflachte Innengestaltung der Gegenwart, ist nicht mit der Umgestaltung früher Zeiten vergleichbar.

Ein Renaissancesaal, oder eine Innengestaltung der 50er Jahre, die (bewußt an histor. Stilelementen orientiert!) nachträglich in ein (meinetwegen gotisches) Gebäude eingebaut wurde, stellt nicht annähernd den Widerspruch dar, wie ihn eine Barockfassade zu einer Glas-und Beton-Innenarchitektur heute darstellt.

Alle vorhergehenden Bauepochen hatten bei aller stilistischen Vielfalt und Unterschiedlichkeit eine Gemeinsamkeit:
handwerkliche Bearbeitung und großes handwerkliches Können; wo immer es möglich war wurden dem Betrachter ästhetische Inhalte vermittelt.

Den Bruch zu diesen Grundsätzen hat die Bauhaus-Moderne (mit ihrem Slogan "Ornament ist Sünde")bewußt vollzogen; somit wird die Gegenüberstellung zu historischen Bauformen folgerichtig fast immer als unvereinbar empfunden werden.

Beim Betrachten von alt und neu hat man immer wieder den Eindruck: Hier bilden keine Stilepochen eine harmonishce Einheit, sondern da stehen sich Welten ohne Bezug unversöhnlich gegenüber!
Das ist es, was einen beim Anblick oft schmerzt, ja sogar wütend macht!

Durch den 2. Weltkrieg haben wir bis heute unter dem Verlust unserer kulturellen Identität zu leiden, die H. Hesse sinngemäß als "das Gedächtnis der Nation" bezeichnete.
Diese moralbildenen Formen -so schreibt er- die durch ihre Ästhetik ganze Genartionen bildeten, sind in den Bombennächten des Krieges für immer verloren gegangen, und das, was danach an Neuem hervorgebracht wurde, konnte und WOLLTE am Alten nicht anknüpfen.
Somit ist der Strom der Geschichte zerrissen...
DAS ist die große Tragik, derer ich mir immer wieder bewußt werde, wenn ich deutsche Städte besuche.

Nach der Trümmerwüste 1945 ist eine Betonwüste entstanden, die in der Tat ein Spiegel unserer Zeit ist.
Behutsame Stadtreparatur wie in Frankfurt/M sehe ich als ein gutes Zeichen, daß man den ungeheuren "Mehrwert" histor. Bauformen langsam zu schätzen weiß.

Die moderne Architektur wird erst dann ihre Krise überwinden, wenn sie bereit ist, wertschöpfend einen konstruktiven Beitrag im kulturellen Sinne zu leisten, der sie vom radikalen Sachzwang der Funktionalität und Rationalität ("Form folgt Funktion")befreit.

So vieles wäre in diesem Sinne gerade in DD an historisch sensibler Stelle auch in moderner "Sprache" umsetzbar, es scheitert immer nur am Denken der Auftraggeber und der Gestalter, die noch immer vom Geist der nüchternen Funktionalität besetzt, ja korrumpiert sind.

Somit bleibt die mod. Architektur ihre Verantwortung weiterhin an der Öffentlichkeit schuldig.

Anonym hat gesagt…

Edwin Schoiswohl meint:

Es ist hat leider so, dass das Argument 'Hauptsach es sieht schön aus, und wie s drinnen aussieht, das geht niemandem was an' nicht ganz richtig ist. Ohne Reflexionen über das zugrunde liegende Material ist diese Diskussion nicht führbar- Eine Barockfassade besteht eben darin, dass sie nicht Beton vorgeblendet ist. Beton hat leider einige in bauökologischer Hinsicht ungünstige Eigenschaften, was auch die aufgeklebten Stuckornamente nicht ganz unberührt lässt. So werden etwa natürliche Alterungsprozesse wie Patinabildung an diesen Fassaden nicht möglich sein. Ist aber wohl den meisten wurscht, denn frisch und bunt angestrichen ist eh alles am schönsten.

ChriSGD hat gesagt…

@Edwin Schoiswohl
Was soll es denn für einen Unterschied bezüglich der Patinabildung machen, ob ein Stuckelement an einer Beton- oder Ziegelmauer verschraubt ist? Geht vom Beton eine lotuseffektähnliche Strahlung aus, die Elemente in einem bestimmten Radius vor einer Patinabildung immunisiert?

Petersburg hat gesagt…

@Schoiswohl

Nein, das ist nicht den meisten "wurscht". Ich glaube, es ist vielen einfach nicht bekannt. Wenn Frau Müller in Blasewitz liest, am Neumarkt werden schöne alte Häuser gebaut, glaubst du sie beschäftigt sich als Laie damit, welche Baumaterialien man nehmen sollte? Woran soll sie das überhaupt erkennen? Das kann man von Laien auch nicht erwarten, zumal sie eine Zeile weiter vielleicht liest, dass die Schule ihrer Kinder geschlossen werden soll oder ähnliches. Man kann von der "einfachen" Bevölkerung kein Expertenwissen in Baukunst verlangen, zumal die Bevölkerung im Alltag mit anderen Dingen konfrontiert ist. Ich bin auch der Meinung, dass hier die Leute aktiv werden sollten, die dafür viel Geld erhalten dass sie sich damit beschäftigen, nämlich die "Experten" im STADTPLANUNGSAMT. Schon mal darüber nachgedacht, dass DIE versagt haben - und nicht die Hausfrau Frau Müller?

Wenn hier jemand der Vorwurf zu machen ist, dann nicht den einfachen Leuten sondern den EXPERTEN, die m.E. auf ganzer Linie versagt haben. Das Stadtplanungsamt hat beim Neumarkt völlig versagt, und versagt täglich aufs Neue. Ich versuche mir vorzustellen wie der Neumarkt ausgesehen hätte ohne GHND? Vielleicht eine zweite dümmliche Mickymouse-Shoppingmall, wie in der McDonaldisierten Prager? Ist das die Aufgabe des Stadtplanungsamtes, Beton-Rekonstruktionen und Profites für die hohen Herren der Banken-und Konzernlobby zu schaffen?

Das Stadtplanungsamt leitet alle Bauvorhaben in Dresden. Es hätte ganz klar sagen können: Die Rekos müssen so und so ausgeführt werden sonst dürft ihr hier nich bauen. FERTIG! Und bitte nicht das pseudo-argument, "dann kommen keine Investoren", Unfug! Beim Taschenbergpalais beispielsweise wurde exakt so verfahren, dem Investor wurden Auflagen gemacht, klare Regeln aus einem Guss, und das Ding STEHT. Wäre bei Dietze auch möglich gewesen - das sind Filetstücke, entweder wäre Dietze sauer wegen Mehrkosten und abgesprungen (unwahrscheinlich, da geldgeil) oder er hätte in den sauren Apfel gebissen und mehr ausgeben müssen (sehr wahrscheinlich). Alles ist möglich - doch unsere Politiker wollen einfach nicht .

Glaubt denn noch immer jemand, die Politiker erfüllen den Willen des Volkes?

mit freundlichen Grüßen aus der Zarenstadt

THE WOERTH hat gesagt…

Zitat Peterchens Mondburg:

"Es hätte ganz klar sagen können: Die Rekos müssen so und so ausgeführt werden sonst dürft ihr hier nich bauen."

Das Schlimme ist ja, dass das glatte Gegenteil der Fall ist - Dietze wurde bekanntlich dazu aufgefordert, auf seine geplanten historisierenden Bauten zu verzichten und stattdessen "mutige" Ideen per Architektenwettbewerb zu ermitteln!!! Wenn es nur um fehlende Vorgaben ginge, wären wir schon ein ganzes Stück weiter...

ChriSGD hat gesagt…

Naja, Peter, Dietze hatte schon ziemliche Probleme die Finanzierung unter Dach und Fach zu bekommen und die Investoren, die irgendwo Schlange stehen, sehe ich auch nicht. Der Freistaat bekommt sein QIII zumindest am Stück nicht an den Mann und auch im QVII hat man seit dem geplanten Bauantrag von Kollhoff vor vielleicht zwei Jahren nichts mehr gehört. Ich hoffe jemand kann mich widerlegen!
Dass das Stadtplanungsamt des Volkes Wille wo immer es geht ignoriert und die absurde Gestaltungskommission als Handlanger der Ensemblezerstörer eingesetzt hat, steht auf einem anderem Blatt Papier. Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu.
Dietze ist meiner Meinung nach mehr Segen als Fluch für Dresden.

THE WOERTH hat gesagt…

Der Mäzen Pühringer z.Bsp. wurde mit seinem regional- und qualitätslastigen Vorschlag von der Stadt verscheucht, Chris. Das Stadtplanungsamt präferiert Großkomplexe von Großinvestoren - schnell und rentabel, der Rest ist zweitrangig.

Petersburg hat gesagt…

@Chris

Du hast mit fast allem Recht was du sagst. Ich wollte auch Dietze nicht anfeinden, als einmal eine anti-Stimmung gegen ihn war vor ca. 2 Jahren (ich glaube es ging um die Glasfassade der Architektin Böttcher) hatte ich sogar zu ihm gehalten und im GHND Forum geschrieben, man solle bitte respektieren, dass Dietze öffentlich den Mut hatte sich auf dem Podium der Bevölkerung zu stellen. Das hat nämlich nicht jeder Investor (Prisco-vonDöring waren zu feige hierzu). Alleine diesen Mut und die Bereitschaft die Wünsche der Bevölkerung zu berücksichtigen muss man Dietze hoch anrechnen.

Ich persönlich habe auch keine allzugrossen Probleme mit Betonplatten hinter Barockfassade, wenn ich ehrlich bin sind mir "falsche" Rekos tausendmal lieber als Kubus-Wüsten und Verblödungs-Shoppingmalls für Konsumzombies mit wild kreischenden Strichcode-Fenstern.

ABER, noch lieber wären mir halt doch "echte" Rekos wie das GHND-Haus das in wenigen Tagen eingeweiht wird....freu mich schon! Ein Schmuckstück! Wenn ich ehrlich bin, die BAYWOBAU-Gebäude sehen doch etwas "künstlich" aus, dem British Hotel und der Rampischen 29 sieht man irgendwie sogar als Laie an dass sie qualitativ hochwertiger sind...

Dennoch stimm ich Dir zu, dass Dietze eher Glücksfall für Dresden ist. Der gute Wille dieses Mannes ist zweifellos da. Wer KEIN Glücksfalls ist, ist die korrupte Gestaltungskommission die dem Wiederaufbauprojekt konsequent in den Rücken fiel wo immer sie nur konnte, vor allem aber deren inkompente Chefs, die "Experten" des Stadtplanungsamtes. Ich bin eben der Meinung, diese müssten den Investoren klare Forderungen auferlegen und wissenschaftlich korrekte Rekos fordern, ansonsten Baugenehmigung verweigern. Doch, das würde gehen. Dietze wäre niemals ganz abgesprungen, dann hätte er eben statt vier Häuserblöcken nur 2 oder 3 bebaut, diese dafür mit guten Rekos. Unterschätz die Bedeutung dieses Areals nicht, der Neumarkt ist eine der begehrtesten Lagen Deutschlands , selbst wenn Dietze abgesprungen wäre wäre ziemlich bald einer nachgerückt. Das Gebiet ist eine 1A-Lage.

Das Hauptproblem ist nicht Dietze, er hat auch Positives. Das Problem ist die völlige Unfähigkeit des Dresdner Stadtplanungsamtes.

Grüsse