Donnerstag, 22. September 2011

Hildesheim

Heute mal wieder ein Blick über Dresdens Stadtgrenzen hinaus, genauer nach Hildesheim im südlichen Niedersachsen. Für uns deshalb interessant, da man hier bereits
in den 80iger Jahren fast einen kompletten Marktplatz rekonstruiert hat. Teilweise nur die Fassaden (Nord- und Südteil des Platzes) aber auch tradidionelle Rekonstruktionen,
wie das Knochenhaueramtshaus (Bilder 1-6). Hier hat man nur die vom Platz abgewandte Nordseite mit modernen Malerein gestaltet, da es keine brauchbaren Unterlagen zur
Rekonstruktion gab. Von 1962 bis 1986 stand an der Stelle des Knochenhaueramtshaus das Hotel Rose (Link: 1 2 3). Im zweiten Teil der Fotos sieht man die erst
kürzlich fertiggestellte Rekonstruktion des "Umgestülpten Zuckerhutes" am Andreasplatz. Diese ging, ähnlich wie in anderen Städten ebenfalls von einer Bürgerinitiative aus.
Hier eine Dokumentation zum Wiederaufbau des umgestülpten Zuckerhutes.






23 Kommentare:

AX hat gesagt…

Vielen Dank für die Bilder! Die hier gezeigte Architekur ist wirklich zum Heulen schön, vor allem der kürzlich wiederbelebte Zuckerhut gefällt mir ausgesprochen. Hier wird einmal mehr deutlich, wie wichtig Bürgerinitiativen sind!

Anonym hat gesagt…

Ich war diesen Frühling in Hildesheim. Ich muss zugeben, die Reko ist gut gelungen. Insofern muss ich auch zugestehen, dass gerade für Außenstehende Rekonstruktionen nicht unbedingt als Fälschungen wahrgenommen werden.
In Erinnerung blieben mir aber eher andere Teile Hildesheims. Das städtische Leben richtet sich nicht nach Fachwerk oder Modernistenklötzchen. Auf das Wohlfühlverhalten der Einwohner hat das keine Auswirkungen. Die Innenstadt war voller Menschen, nur dieser Platz war leer.
In Dresden haben wir das Glück, dass der Neumarkt ein Touristenmagnet ist. Aber wir sollten auch bedenken, dass es den Einwohnern der Stadt wenig bringt.
Die Albertstadt, Leipziger Vorstadt und Friedrichstadt sollen jetzt weiter aufgewertet werden.
MfG R-B

Anonym hat gesagt…

Ich bin immer wieder überascht wie was für schöne Ecken Deutschland hat.
Hildesheim? Wußte gar nicht wo das überhaupt liegt aber wenn ich die Bilder seh würde ich am liebsten sofort meine Koffer packen und dort morgen Nachmittag einen Kaffee schlürfen. Irgendwann werde ich ein halbes Jahr Auszeit nehmen und durch Deutschland reißen. Habe bislang viel zu wenig von meiner Heimat gesehen.

Ninó hat gesagt…

Danke für die Bilder! An meinen Vorredner: Hildesheim war/ist eine sehr bedeutende Stadt, da sie Bistumsitz ist. Auch aus kunsthistorischer Sichtweise mindestens in einer Liga mit Braunschweig oder Hannover, wenn nicht sogar noch höher!

Anonym hat gesagt…

"Auf das Wohlfühlverhalten der Einwohner hat das keine Auswirkungen."

Gewagte These!

"Die Innenstadt war voller Menschen, nur dieser Platz war leer."

Kam Ihnen zur Stützung Ihrer Thesen gelegen, nicht wahr? Bei meinem Besuch war das interessanterweise ganz anders: Der Marktplatz war sehr belebt und sämtliche Cafes prall gefüllt. Und jetzt?

"Aber wir sollten auch bedenken, dass es den Einwohnern der Stadt wenig bringt."

Das kommt ganz darauf an, welche Prioritäten der Einwohner setzt. Dem durchschnittlichen Dynamofan und Apple-Store-Fetischisten mag der Neumarkt egal sein, aber es gibt auch genügend Menschen, denen die Rückgewinnung der städtebaulichen Identität ihrer Stadt extrem viel bedeutet!

Ich bitte um eine differenziertere Sichtweise, denn diese wird den Realitäten meistens eher gerecht als Schwarz-Weiß.

Nemo hat gesagt…

Um es mit George Orwell zu sagen: Unwissenheit ist Stärke

Denn wenn man solche Bilder sieht, bekommt man eine Ahnung davon, was (unwiederbringlich) verloren gegangen ist. Und daran zu denken, macht betrübt.

Was mögen das für Menschen gewesen sein, die mit so viel Liebe zum Detail ganze Geschichten in Hausfassaden geschnitzt haben? Es geht nicht nur um Architektur, sondern um die Art zu denken und zu leben. Heute baut der Zeitgeist (wenn man ihn denn lässt) graue Sichtbetonkuben - am besten ohne Fenster. Was sagt das wohl über unsere Art zu denken und zu leben aus?

Aaron Goldstein hat gesagt…

Ich versuche mir grade vorzustellen, wie der Platz aussehen würde wenn man "moderne" Architekten herangelassen hätte....lol.

Super schöner Platz! Gratulation an Hildesheim. Städte sind offensichlich immer dann schön, wenn die Bürger sich einmischen und die Kulturbarbaren in Politik und Architektenlobby in ihre Schranken weisen.

Übrigens, so sah der Platz vorher aus:

http://www.ansichtskarten-kiste.de/images/733_HildesheimRathausmarktmitHotelRose.jpg

Ist das nicht traumhaft schön? Wunderschöne Betonkisten, noch nie dagewesen, super neu, himmelstürmend modern, unglaublicher Flair - so viel besser als das doofe Alte, nicht wahr ;-)

Aber mal im Ernst: Ist es nicht erschütternd, welches Elend uns Architekten und Stadtplaner als angeblich "modern" verkaufen? Dieser Betonwüsten-Platz ist abschreckendes Beispiel für die Arroganz und Unfähigkeit "moderner" Architekten. Gott sei danke bekam das Betonwüsten-Ensembles was es verdiente: Abriss. Der Vulgärmoderne wurde hier entschieden entgegengetreten, und in Dresden werden wir das ebenso tun.

Anonym hat gesagt…

Mich würde mal interessieren, was Bilder von Hildesheim auf einem Blog über Dresden zu suchen haben?! Gibt es in Dresden nicht genug, was man darstellen und dokumentieren kann? Wie sehen die anderen das? Würde mich mal interessieren...Grüße F.

Aaron Goldstein hat gesagt…

PS: Meine Fresse ist das ein geiler Platz! Sorry muss mich wieder mal unakademisch ausdrücken - das tu ich immer dann, wenn ich begeistert bin :-)

Obwohl die Fotos vom Gewebemeister (Webmaster) wieder mal sehr schön sind - vielen Dank - fand ich gerade eines, dass noch mal besonders schön zeigt wie traumhaft dieser Platz ist!!!

http://img.fotowelt.chip.de/imgserver/communityimages/642400/642431/original_201CDDA338FAA9B239C3D6EDC01FEF52.jpg

Ist das nicht traumhaft???? Ich glaub ich werde Hildesheim-Fan!

Anonym hat gesagt…

F., mach doch Deinen eigenen Blog auf, da kannst Du dann dogmatisch ausschließlich zum Thema posten. Finde Deine Anmerkung ehrlich gesagt frech und respektlos gegenüber dem Admin, der uns hier tagaus, tagein mit Bildern aus DRESDEN versorgt!!! Wie schön ist dann zwischendurch auch mal ein kleiner Ausflug in eine andere Stadt - man muss sich ja nicht non-stop die Negativmeldungen aus dem heimischen Dresden reinziehen, oder? Ein Blick aus dem Tal der Ahnungslosen hinaus erweitert den Horizont, kann ich nur empfehlen. Herzlichen Dank dem Admin!

Bernhard hat gesagt…

Ich finde es sehr interessant, wenn zwischendurch auch Bilderserien aus anderen Städten gezeigt werden. Hildesheim ist in großen Teilen wirklich hässlich. Umso schöner aber die Rekonstruktionen. Das Knochenhaueramtshaus ist wirklich traumhaft! Hoffentlich werden in Hildesheim in Zukunft noch weitere Häuser rekonstruiert (vor Allem der Andreasplatz hätte das nötig)!

Anonym hat gesagt…

Sehr schöne Bilder - vielen Dank!
Und wieder einmal ein Beweis dafür, wie verkommen armselig unsere heutige "Architektur" ist. Unsere Zeit hat eigene Errungenschaften, die Architektur gehört definitiv nicht dazu.
Jede deutsche Stadt sollte Satzungen erlassen, die eine Rekonstruktion der Innenstädte vorschreibt. Was Generationen in Jahrhunderten geschaffen haben darf man nicht einfach so als "verloren" abschreiben. Bei dem heutigen Stand der Technik ist das möglich, wenn auch langfristig. So und nicht anders haben unsere Vorväter auch gedacht: Etwas bleibendes schaffen, etwas, was überdauert, was man an die kommenden Generationen guten Gewissens weiterreichen kann. Kuben und Kästchen von Investoren gehören nicht dazu, auch wenn man sie krampfhaft schönzureden versucht.
Viele Städte lassen noch erahnen, welche Pracht sie einst bargen - mit einer Generation von Unverzagten und Ihrer Herkunft selbstbewußten wäre ein behutsamer Wiederaufbau möglich. Doch leider nicht mit unserer abgehalfterten Politik und Investorenriege! Das zeigt doch beispielhaft das Gezerre um die Kuppel des Berliner Schlosses. Milliarden verbraten und verbrennen im Ausland, die Ungeborenen belasten bis zum jüngsten Tag, aber dann so ein unwürdiges Geschachere um ein so wichtiges Bauwerk! Pfui deibel!

reli hat gesagt…

@Anonym-F.: Ich bin den Machern von bausituation-dresden.com sehr dankbar für Ihre Bemühungen. Es ist wirklich klasse, dass auch Bilder von mehr Orten/Städten mit dabei sind, da ich häufig feststelle, dass ich diese Orte noch nicht kenne. Vor Allem die Bilderserie von Hildesheim ist mit Luftbild und historischen Bildern und Links zur Historie der Entstehung einer wunderschönen Rekonstruktion absolut überragend. An der Liste der Herkunftländer der Besucher der Website sieht man auch eine überregionale Bedeutung. Zudem animiert das sehr zu persönlichen Besuchen und/bzw. Spenden.

Anonym hat gesagt…

„Kam Ihnen zur Stützung Ihrer Thesen gelegen, nicht wahr? Bei meinem Besuch war das interessanterweise ganz anders: Der Marktplatz war sehr belebt und sämtliche Cafes prall gefüllt. Und jetzt?“

Jetzt machen wir uns einfach mal Gedanken, wann wir da waren. Bei mir war es früher Nachmittag an einem Wochentag. Einer der ersten halbwegs warmen Tage des Jahres.

Es kam nicht meiner These gelegen, sondern die These ist aus der Beobachtung entstanden. Offenkundig hat bei Ihnen eine andere Beobachtung zu einer anderen These geführt. Vielleicht ist meine falsch, vielleicht haben sie aber auch nur Touristen gesehen. Genau deswegen habe ich das hier reingeschrieben - damit man darüber vielleicht mal reden kann.

Nach wie vor glaube ich nicht, das die Reko von Stadtzentren einen großen Einfluss auf die Identität der Bürger hat, sondern „lediglich“ mehr Besucher von Außerhalb anzieht.

Aber verstehen sie mich nicht falsch. Ich will hier nicht als Vertreter der Charta von Athen auftreten. Zerstörte Stadtstrukturen und Riesenplätze sind auch nicht meine Vorstellung. Aber ich glaube nicht, dass die Fassadengestaltung einen Einfluss auf die meisten Stadtbewohner hat. Wichtiger sind dabei Läden/Kneipen/Bänke/Brunnen usw... die Straßen und Plätze beleben.

„städtebaulichen Identität“
Was soll das denn nun sein. Das konnte mir bisher keiner Beantworten oder wollte es nicht. Das ist eine leere Phrase, die hier immer verwendet wird. Auch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte waren Identitäststiftend. Vielleicht sind sie nicht schön, aber sie sind eine Realität, die man nicht wegwischen kann. Es kann doch nicht sein, das man nur den Gebäuden die vor 1945 gebaut wurde Identität gibt zugesteht

„Jede deutsche Stadt sollte Satzungen erlassen, die eine Rekonstruktion der Innenstädte vorschreibt. Was Generationen in Jahrhunderten geschaffen haben darf man nicht einfach so als "verloren" abschreiben.“
Und was ist mit den geschaffenen Werken der letzten 65 Jahren? Die darf man wieder einstampfen?

MfG R-B

Anonym hat gesagt…

Städtebauliche Identität würde ich wie folgt definieren: Die Unverwechselbarkeit einer Stadt wird erkennbar an Gebäuden, die typisch für sie sind und die dem Menschen unverkennbar sagen, wo er sich befindet. Viele Gebäude nach dem Zweitnen Weltkrieg waren dringend nötig und daher zweckmäßig. Das Besondere fehlt ihnen. Ich wohne in Heilbronn, einer Stadt, über welche mir bisher alle gefragten Einwohner selbst sagen, dass sie hässlich sei. Ich stimme dem zu. Zur Folge hat dies, dass ihre Einwohner ihr entfliehen, wann immer sie können und die, die nicht können, wertschätzen sie nicht. Und so prägt die städtebauliche Identität eine Stadt. Meiner Meinung nach ist der Begriff deshalb alles andere als eine leere Phrase. Ach und noch was: Viele der rekonstruierten Bauten prägten ihre Stadt für längere Zeit, als jene nach dem Krieg bis zu dem Zeitpunkt ihrer Rekonstruktion und deshalb wird ihnen mehr Wert zugemessen.

Anonym hat gesagt…

"Viele der rekonstruierten Bauten prägten ihre Stadt für längere Zeit, als jene nach dem Krieg bis zu dem Zeitpunkt ihrer Rekonstruktion und deshalb wird ihnen mehr Wert zugemessen."

Ja, weil sie Zeit hatten zu einer Prägung zu werden. Zeit, die man neueren Bauten nicht geben möchte.
Aber sie sind ebenso Ausdruck ihrer Zeit, wie es die zerstörte Bebauung war. Man kann doch nicht die Aufbauleistung einer ganzen Generation verschwinden lassen.

Doch wär es nicht möglich, eine neue Identifikation mit der Stadt auch über andere Wege zu erreichen? Der Bahnhoftsvorplatz in Hildesheim zB ist alles andere als ein Ort zum Wohlfühlen, ihn aber historisch wieder aufzubauen würde es nicht besser machen. Eine Alternative wären Bäume und ähnliche Elemente im öffentlichen Raum. In Dresden hat der Aufbau des Zentrums wohl auch nicht soviel mit der Identifikation der Stadt zu tun. In meiner Familie und Freundeskreis fällt mir keiner ein, der sich mit Dresden mehr verbunden fühlt, weil man das Neumarktareal historisch wiederaufgebaut hat.
Die Wiederherstellung der gewachsenen Struktur an Stellen, an denen es ohne Abriss möglich ist, würde ich auch befürworten. Aber auf Teufel-komm-raus die ganze Innenstadt zu einer Museumslandschaft umzubauen finde ich etwas übertrieben.
Wär es in Heilbronn nicht auch möglich, die Stadt wieder lebenswerter zu machen, indem man die alten Häuser durch neue ersetzt? Ich bin kein Gegner des Abrisses, wie es erscheinen mag, sondern nur gegen einen Rückschritt. Eine Stadt sollte nicht mit Glas&Beton Kuben zugepflastert werden, aber vor die Stunde 0 zurückzukehren bringt auch nichts. Man nimmt damit der Stadt den Raum sich zu entwickeln. Das kann auch nach hinten losgehen wie man Allerorten sieht.
Der künstlerische Wert der Bauten der 50er bis heute mag in unseren Augen geringer erscheinen, aber wir sollten uns zu Herzen nehmen, dass diese Form des Bauens bereits vor 45 entwickelt wurde. Wenn wir diese Gebäude abreißen, dann doch nicht um einer neuen Architektengeneration die die klassische Stadt auflösen will und nur Klötzchen im Kopf hat neue Nahrung zu geben.

MfG R-B

Anonym hat gesagt…

Den Kommentar von F. kann man als absolute Frechheit ansehen! Da gibt sich hier jemand Mühe und versorgt uns fast täglich mit tollen Bildern und andere haben nix anderes im Sinn als nur zu meckern - typisch Deutsch!

Anonym hat gesagt…

Identität = Unverwechselbarkeit, Einzigartigkeit, Wiedererkennungswert, Ortbarkeit

"Es kann doch nicht sein, das man nur den Gebäuden die vor 1945 gebaut wurde Identität gibt zugesteht"

Da sich die große Masse des nach 1945 gebauten bewusst von der prägenden Identität des Ortes distanziert hat und in sämtlichen europäischen Städten die immergleichen Belanglosigkeiten hinterlassen hat, kann man dies sehr wohl tun. Identität ist das Gegenteil von Austauschbarkeit und Nivellierung!

"Und was ist mit den geschaffenen Werken der letzten 65 Jahren? Die darf man wieder einstampfen?"

Wenn sie den Ort, an dem sie gebaut wurden, bewusst negieren und zur Nivellierung der europäischen Städte beitragen: Gerne.

Ich finde es immer wieder interessant, dass man solche Dinge erklären muss...

Anonym hat gesagt…

"Ja, weil sie Zeit hatten zu einer Prägung zu werden."

Nein, weil sie sich an der spezifischen Aura des Ortes orientiert haben, anstatt ihn bewusst zu negieren. Der Faktor Zeit hat damit so gut wie gar nichts zu tun. Die Nachkriegsmoderne ist jetzt bald sechs Jahrzehnte alt und hat keine ihrer von Anfang an bekannten Defizite verloren. Ganz im Gegenteil, werden sie immer präsenter!

"In meiner Familie und Freundeskreis fällt mir keiner ein, der sich mit Dresden mehr verbunden fühlt, weil man das Neumarktareal historisch wiederaufgebaut hat."

Könnte an Ihrem Bekanntenkreis liegen. Ich habe da mal wieder komplett andere Erfahrungen gemacht. Stellen Sie Sich doch mal auf den Neumarkt und befragen ein paar tausend Menschen, dann wird es evtl. etwas repräsentativer.

"Aber auf Teufel-komm-raus die ganze Innenstadt zu einer Museumslandschaft umzubauen"

Diese Äußerung entlarvt sie mehr, als Ihnen lieb sein kann. Polemisierender (und abstruser) gehts ja kaum! Nachgeplapperte und tausend Mal widerlegte und relativierte Standardfloskel der Modernistenschaft. Wollen Sie nicht vielleicht noch das Disneyland ausgraben? Fangen Sie bitte an, zu argumentieren!

Anonym hat gesagt…

„Identität = Unverwechselbarkeit, Einzigartigkeit, Wiedererkennungswert, Ortbarkeit“

Aber nur weil die Grunaer Straße oder der Altmarkt die gleichen Baustile aufweist, wie so viele andere europäische Städte ist doch die Anordnung einzigartig. Den Altmarkt zu Dresden erkennt man genau so wieder, wie das Frankfurter Tor in Berlin. Dresden als solches ist unverwechselbar. Aus dem überall gleichen Raster zur Stadtanlage hat sich in den letzten Jahrhunderten eine Stadt entwickelt, die im Einklang – oder auch bewusst gegen – mit der Umwelt gewachsen ist.
Es wird manchmal so getan, als ob Dresden keine historische Substanz mehr/wieder hätte.
Wenn es auch noch so oft beteuert wird, glaub ich es bis heute nicht, dass der Barok sooo typisch Dresden sein soll. Das war ebenfalls ein europäischer Baustil, der leichte regionale Abweichungen hatte. Nicht anders ist es bei Bauten nach 45. Das die Bauten nicht belanglos sind, zeigt sich am besten hier im Blog. Wären sie es, würde kein Hahn danach krähen, dass sie bleiben oder abgerissen werden. Und wenn ihr Wert auch nur darin liegt, uns zu zeigen, was eine falsche Entwicklung ist, so sind sie doch nicht so wertlos, dass man an ihrer Stelle aufs neue Gebäude auf Niveau 17. Jh. errichtet. Wenn man Gebäude mit modernen inneren Werten errichtet, kann man auch so ehrlich zu sich und der Umwelt sein, dass man es nach Außen zeigt. Würde sich in DD eine gesunde zeitgenössiche Architektur entwickeln würden sich vielleicht auch wieder neue regionale Entwicklungen zeigen.

„Ich finde es immer wieder interessant, dass man solche Dinge erklären muss...“ Ja, ist es auch, da sich das Substanzielle hinter dem Identitäsbegriffe scheinbar unterscheidet. So können wir uns alle vielleicht gegenseitig besser verstehen – wenngleich wir uns wahrscheinlich nicht zustimmen werden.

„Nein, weil sie sich an der spezifischen Aura des Ortes orientiert haben, anstatt ihn bewusst zu negieren.“
Sind sie sich da sicher? Wie ist es dann mit dem Teil der Wilsdruffer zw Altmarkt und Pirnaischen Platz? War die Straße harmonisch angelegt worden? Die Bebauung am Neumarkt ist durch Kriegsfolgen in der Form entstanden, ebenso wie die Kreuzkirche, Die Neustadt ist durch einen Stadtbrand in der Form ermöglicht worden. Immer musste Altes Neuem weichen. Und immer hat man sich daran ausgerichtet, was gerade europaweit im Trend lag. Die Strukturen der Stadt sind vielleicht im Einklang mit dem Naturraum entstanden, nicht aber die Bebauung. Die entstand im Einklang mit dem Bauherren der Trent-orierntiert war.

„Stellen Sie Sich doch mal auf den Neumarkt und befragen ein paar tausend Menschen, dann wird es evtl. etwas repräsentativer.“

Evtl. auch nicht. Familie und Freunde kommen aus DD und sind über die ganze Stadt verteilt. Ist schon einigermaßen repräsentativ. Wenn ich 1000 Menschen auf dem Neumarkt frage, ist es das gleiche wie in ner vollbesetzten Kneipe die Gäste zu fragen, ob sie gern in der Kneipe wären. Wären sie es nicht, würde ich sie da nicht befragen können.

„Nachgeplapperte und tausend Mal widerlegte und relativierte Standardfloskel der Modernistenschaft.“

Offenkundig wurde „Museumslandschaft“ noch nicht nachhaltig genug relativiert, wenn sie immer wieder auftaucht. Und neue Worte erfinden geht schlecht. Eine „-schaft“ bin ich nicht. Ich bin nur einer. Außer natürlich, Modernistenschaft bezieht sich auf alle, die nicht Ihrer Meinung sind, dann gehöre vielleicht auch ich dazu.
„Disneyland“ ist anderes Niveau. Die geben zu, dass sie nichts Echtes schaffen, schaffen aber immerhin was neues.

In diesem Sinne frohes Wochenende allen R-B

Anonym hat gesagt…

Hallo R-B,

es ist ja schön, dass Sie immer so umfassend auf Beiträge eingehen, allerdings habe ich leider nicht die Zeit zur Verfügung, um mich Ihnen ebenso ergiebig zuzuwenden. Werde mich in dieser Antwort leider kürzer fassen (müssen).

"Wenn man Gebäude mit modernen inneren Werten errichtet, kann man auch so ehrlich zu sich und der Umwelt sein, dass man es nach Außen zeigt."

Ich bin kein Freund des Authentizitätsdogmatismus, halte ihn gar für völlig fehlgerichtet, was die Bedürfnisse von kriegszerstörten Städten anbelangt. StadtbilDD schreibt hierzu: "„Mehr Schein als Sein“ – Sinnestäuschung, Fiktion, Irreführung, Nachahmung fremder oder vergangener Stile – all dies war seit je ein zentrales Anliegen. Der Wahrheits- oder Authentizitätsanspruch der selbsternannten architektonischen Sittenwächter entbehrt jeglicher historisch, philosophisch, logisch, ethisch oder sonst wie fundierten Grundlage." Ich könnte noch sehr viel mehr zu dem Punkt schreiben, aber s.o.

"Wenn es auch noch so oft beteuert wird, glaub ich es bis heute nicht, dass der Barok sooo typisch Dresden sein soll."

Ist er ja auch nicht. Von mir haben Sie das sicher noch nicht gehört.

"Würde sich in DD eine gesunde zeitgenössiche Architektur entwickeln würden sich vielleicht auch wieder neue regionale Entwicklungen zeigen."

Gegen eine "gesunde zeitgenössische Architektur" hätte ich nicht das Geringste einzuwenden, aber davon sind wir meilenweit entfernt. Allerdings braucht eine kriegszerstörte Stadt m.E. keine "neue regionale Entwicklung", da es in solchen ersteinmal um die teilweise Rückgewinnung der ureigenen - zerstörten Identität gehen sollte. Danach kann man weitersehen.

"Sind sie sich da sicher?"

Ausnahmen bestätigen die Regel. Die vor Ort vorkommenden Materialien wurden bis zur Nachkriegsmoderne z.Bsp. beinahe durchgehend als Basis für neue Kreationen genutzt, die Aura Dresdens wurde in den seltensten Fällen grob missachtet - heute ist es die Regel. Die Beachtung des Genius Loci ist erst der modernistischen Architekturbetrachtung völlig abhanden gekommen.

"Immer musste Altes Neuem weichen. Und immer hat man sich daran ausgerichtet, was gerade europaweit im Trend lag."

Mal davon abgesehen, dass das keineswegs immer so war, hieße das noch lange nicht, dass es in bestimmten Orten auch heute noch ein adäquater Ansatz wäre. Ich schrieb es schon mehrmals: Flächenhaft kriegszerstörte Städte bedingen verlangen m.E. andere Prioriäten als "Architektur um der Architektur Willen", Ego-Trips, Trendbedienung, usw.

"Ist schon einigermaßen repräsentativ."

Da muss ich sie enttäuschen. 50 von 500000 sind nicht repräsentativ, das sollte Ihnen eigentlich bewusst sein. Wie gesagt, habe ich ganz andere (ebenfalls nicht belegbar repräsentative) Erfahrungen gemacht.

"Offenkundig wurde „Museumslandschaft“ noch nicht nachhaltig genug relativiert, wenn sie immer wieder auftaucht."

Ich persönlich habe das jedenfalls schon zur Genüge getan. Natürlich kann ich aber nicht alle Menschen erreichen. ;)

Auch Ihnen ein schönes Wochenende!
the woerth

Anonym hat gesagt…

Danke für die doch recht umfassende Antwort Woerth :)

Jetzt fass ich mich mal kurz. nach wie vor glaube ich, dass Identität etwas ist, das nicht durch Zerstörung verloren geht. Vielmehr ist es die Lebensqualität.
Vielleicht bin ich in dem Punkt regionales Bauen zu zynisch. Aber auch da glaube ich, dass man sich eher aus logisischen Gründen auf regionales beschränkt hat, aber so weit wie möglich versucht hat optisch an ein europäisches Niveau anzuknüpfen.
Können sie zum Thema "Museumslandschaft" etwas zum Nachlesen empfehlen? Wenn mich niemand umfassend relativieren will, muss ich es alleine tun.

MfG R-B

Anonym hat gesagt…

"nach wie vor glaube ich, dass Identität etwas ist, das nicht durch Zerstörung verloren geht. "

Aber selbstverständlich! Das wussten doch auch die Zerstörer, und darauf kam es ihnen auch an. Es ist möglicherweise ein interessantes Phänomen, dass Dresden sich seine Identität trotz fehlendem Stadtbild besser bewahrt hat als andere Städte. Obwohl einiges dazuka, wie zum Beispiel der Opferstatus (wozu zahlreiche andere Städte auch gleiches Recht gehabt hätten. Magedburg zB. das in der öffentlichen Meinung kaum mit "zerstörte Stadt" assoziiert wird).
Aber schon zB in Kassel sieht es anders aus. Diese Stadt hat alles verloren, was sie ausmachte, sogar den typischen Dialekt seiner Bewohner, der sich nach 1943 nicht mehr etablieren konnte.
Oder nehmen Sie Frankfurt am Main - hat diese Stadt überhaupt irgend etwas? Ein Gesicht, eine Identität?
Nehmen wir meine Stadt, Wien. Was wäre aus ihr geworden, wäre sie in der Reichweite der WCschen Bomber gelegen? Wenn die ganze Innere Stadt undauch die näheren Vorstädte so aussähen wie der Hohe Markt? Da wären nicht nur die Staatsoper, das Burgtheater (was ohnehin der Fall war) untergegangen, nicht unzähliche Bürgerhäuser mit Grundmauern aus dem Mittelalter, Kirchen mit wertvollen, kaum mehr wiederherstellbaren Barockausstattungen , sondern auch die Wirtshäuser, Beisln genannt, die Kaffehäuser mit ihrem einzigartigen Flair, die breiten Geschäftsstraßen mit ihrem eigenartigen Raumgefüge .. all dies wäre dahin, würde aussehen wie die Trostlosigkeit einer westdeutschen Fussgeherzone. Geblieben wären vielleicht ein paar periphere Elendsviertel, heute ohne hin von islamischer Bevölkerung besiedelt, wo also auch heute so gut wie nichts von Wiener Identität vorherrscht.

Dieses böse Schicksal ist an Wien vorübergegangen, aber bei dne Großstädten und zahllosen Mittel- und Kleinstädten war es fast der Regelfall. Es ist vielleicht naiv, zu meinen, man könne dies mit ein paar Rekonstruktionen wiedergutmachen, aber jedenfalls ist dies besser als nichts, ja, was Besseres kann man gar nicht machen, und auf jeden Fall ist es ein ANFANG. Irgendwann wird der Dresdner Bürger auch im Neumarktbereich seine Stammgaststätten haben, und sie werden ihm alt und gemütlich erscheinen, und keiner wird fragen, ob wie alt sie wirklich sind. Irgendwann wird der Neumarkt ein Zentrum sein, um das sich eine neue Stadt gruppiert haben wird, und von den irrwitzigen Brachen wird keine Rede mehr sein.
mfG F Lechner Wien